Sonntag, 1. Dezember 2013

Der Käfig

War letztens krank. Nix schlimmes. Einfach ziemlich erkältet. Bin trotzdem zum Arzt gegangen. Genauer gesagt zu meiner Hausärztin – einer Fachärztin für Allgemeinmedizin und Psychosomatik. Meine Mutter würde an dieser Stelle wohl mit den Augen rollen. Die Diagnose meiner Hausärztin war Erschöpfung aufgrund von Stress. Ahja.

Hab später mal so darüber nachgedacht, weil ich ihr gesagt habe, dass ich keinen akuten Stress im Moment habe – zumindest nicht dass ich wüsste. Aber wenn ich so überlege, ist Stress bei mir vermutlich schon chronisch. Das kommt aber nicht von äußeren Faktoren, sondern es kommt irgendwie von innen.

Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr wurde mir klar, dass ich eigentlich ständig angespannt bin. Und mit diesem Gedanken kamen mir Bilder von Wildkatzen im Zoo in den Kopf, die, weil sie eingesperrt sind, völlig apathisch in ihren Käfigen auf und ablaufen und dabei nie die Menschen aus den Augen lassen, die laut und tölpelhaft davor stehen und sie angaffen. Diese in der Wildnis so majestätischen Raubtiere sind in solchen Momenten angespannt, überreizt, gestresst. Sie sind immer auf der Lauer, dürfen sich nicht erlauben auch nur einen Moment unachtsam zu sein, obwohl ihnen doch eigentlich keine Gefahr droht und sie sich genauso gut faul in Ecke legen und den dummen Menschen den Rücken zu kehren könnten. Aber sie tun es einfach nicht.

So ähnlich fühlt es sich an. Als müsste ich immer wachsam sein, immer angespannt. Aber warum? Ich bin weder eingesperrt, noch stehe ich unter ständiger Beobachtung und trotzdem ist da diese innere Unruhe. Ein Gefühl, als dürfte ich mich nicht einmal für einen Augenblick entspannen und mein Leben genießen. Dabei ist da niemand außer mir selbst, der diesen Druck zu erzeugen scheint.


Das ist es wohl. Die einzige Person, der man niemals den Rücken kehren kann, ist man selber. Ob man sich nun leiden kann oder nicht, man muss mit sich auskommen und das ein Leben lang. Keine Ahnung, ob das jetzt heißt, dass ich mich selbst nicht leiden kann. Eigentlich mag ich wie ich bin, nur, dass was ich mache, ist irgendwie nur so semi-optimal. Ich weiß nicht, was genau es ist, das mich stört, wahrscheinlich das große Ganze, aber irgendwie hatte ich mir das alles mal anders vorgestellt. So wie sich der Tiger im Käfig sicher einmal ein Leben in der wilden Natur und in Freiheit ausgemalt hat.

Als Kind hab ich mich nie als die Person gesehen, die ich jetzt bin – in diesem Käfig, den ich mir zu allem Übel auch noch selber gebaut habe. Nicht diese Unsicherheit, die in andauernder Anspannung resultiert. Nicht dieses Muss, das hinter allem dahinter steht. Obwohl mich mein Opa schon davor gewarnt hat, als ich noch klein war, dass es eines Tages so kommen würde, habe ich doch immer gehofft, dass ich es anders machen könnte. So wie wohl alle Kinder immer denken, dass sie es selber mal anders machen, wenn sie groß sind, als die Erwachsenen.

Ist wohl etwas nach hinten losgegangen mein naiver Masterplan es einfach anders zu machen. Ob man das noch geradebiegen kann? Irgendwie stecken wir doch alle in einem Käfig. Wir müssen arbeiten gehen, damit wir Geld verdienen, damit wir über die Runden kommen. Wir sind nicht wie die Raubkatzen. Einfach mal alles hinschmeißen und losziehen immer der Nase nach klingt verlockend und einfach, aber das endet in den meisten Fällen wohl unter der Brücke an einer brennenden Mülltonne, die man mit seinen unverkauften Obdachlosenmagazinen, die es inzwischen wohl in jeder größeren Stadt gibt, bei Laune hält. Tolle Aussichten.

Es muss einen anderen Weg geben und ich werd versuchen den zu finden – und wenn es das letzte ist, was ich tue. Und jetzt klinge ich auch noch wie Gargamel…

Dienstag, 26. November 2013

Die Suche nach...

Ist gar nicht so leicht zu wissen was man will, wenn die Palette an Möglichkeiten kurz vorm Explodieren zu sein scheint. Klar, ist einfach zu sagen, damals war’s leichter, weil’s nicht so viele Möglichkeiten gab. Aber das stimmt nicht. Die Freiheit, die unsere Eltern nicht hatten und unsere Großeltern schon mal gar nicht, wird heute zum Fluch für uns. Wir haben die Möglichkeit alles zu tun und doch tun wir nichts.

Irgendwie kann man jeder Generation etwas zu ordnen. Sie haben sich gemeinsam eingesetzt für Frieden oder für Gleichberechtigung oder für sonst was. Und während wir uns motiviert alles und nichts auf die Fahnen schreiben, erreichen wir gar nichts. Wir hassen alles was Mainstream ist und essen nichts, was einen Schatten wirft, während wir unseren fettfreien Fair-Trade-Café-Latte mit Sojamilch schlürfen und das so kollektiv, dass es schon wieder eine Bewegung ist – die wir dann natürlich auch wieder hassen und uns von ihr distanzieren können.

Ist lustig sich das anzusehen, während man unbeteiligt daneben steht. Keinen Trend mitzumachen, behauptet jeder von sich. Die, auf die das zutrifft, sind selten geworden. Im Endeffekt auch egal, ob Mainstream oder nicht so lang jeder mit dem, was er macht oder nicht macht zufrieden ist. Ich glaube, darin liegt die eigentliche Herausforderung. Zu wissen, was einen zufrieden macht. Manche haben alles und es macht sie nicht glücklich, andere haben nichts und könnten kaum mehr mit sich selbst im Reinen sein.

Im Endeffekt ist es doch so: Wir alle kämpfen gegen uns selbst. Das gehört zum Menschsein. Das Geheimnis ist zu erkennen, wann man gewonnen hat. Aber das können wir nicht. Wir sind rastlos Getriebene mit Bindungsangst, die sich nichts mehr wünschen als endlich anzukommen – ganz egal wo das sein wird.

Samstag, 25. August 2012

Für dich. Für mich.

Heute ist ein Tag wie jeder andere. Kein besonderer Tag mehr, obwohl er es sein sollte. Du bist nicht mehr da. Ich kann dich nicht mehr in den Arm nehmen, nicht mehr mit dir reden, dabei würde ich heute nichts lieber tun als das. Du hast mich immer verstanden, hattest immer die richtigen Worte für mich, ob ich sie nun hören wollte oder nicht. Ich vermisse das.

Ich wünschte du wärst noch hier.

Du hast gesagt, wenn du mal gehst, soll ich nicht traurig sein. Ich war es trotzdem. Ich wusste, dass es vorbei war, noch bevor Mama mich um 5 Uhr morgens holte, damit ich mich verabschieden kann. Sie musste mich nicht wecken, ich hatte gar nicht geschlafen, nur dagelegen.

Wir haben dich ein letztes Mal besucht, aber du warst schon nicht mehr da. Und ich habe geweint, ich weiß nicht wie lange. Alles woran ich mich danach erinnere, ist, dass ich zu Frauke ging. Bei ihr fühlte ich mich nicht mehr so traurig, nur seltsam leer, als wäre ein großes Stück von mir selbst abgebrochen.

Wir fuhren an den See, an dem ich die Hälfte meiner Kindheit mit dir verbringen durfte, an dem du mit mir als Kind immer geangelt und mir von der Natur erzählt hast. Am Strand alberten wir rum, wir lachten und das Wasser funkelte in der Sonne. Ich schätze, dir hätte das gefallen.

Und als ich abends mit Anka vorm Haus auf der Treppe saß, während Mama ihre abendliche Zigarette rauchte, war der Himmel voller watteweicher Schleierwölkchen. Ich war irgendwie erleichtert. Das waren wir wohl alle. Es hätte keinen schöneren Tag für dich geben können um zu gehen.

Ich wünschte, ich hätte dir noch ein letztes Mal sagen können, wie sehr ich dich lieb habe und wie dankbar ich dir für alles bin. Aber ich denke, das wusstest du ohnehin.

Mir ist klar, dass du das nicht lesen wirst, dass du nicht irgendwo im Himmel oder sonst wo sitzt und immer noch auf mich aufpasst, wobei der Gedanke eine sehr beruhigende Wirkung auf mich hätte. Das hier ist irgendwie für mich und es ist auch für dich, den besten Opa, den ich mir vorstellen kann.

Montag, 11. Juni 2012

So viel dazu...

Den Sinn erhält das Leben einzig durch die Liebe. Das heißt: Je mehr wir zu lieben und uns hinzugeben fähig sind, desto sinnvoller wird unser Leben. 
 Hermann Hesse

Ich glaube, was Hermann nicht bedacht hat – oder wahrscheinlich gab es das zu seiner Zeit noch nicht so extrem – ist, dass man irgendwie vorbelastet ist. Gibt es jemanden, dem noch nie das Herz gebrochen wurde? Jemanden, der sich nicht schon mal völlig verarscht gefühlt hat und sich in einem Anflug von Selbstschutz geschworen hat sich nie mehr verletzbar zu machen?

Das klingt jetzt wahrscheinlich total negativ, auch wenn es wirklich nicht so gemeint ist. Aber ich glaube, ich gehöre zu den Menschen die allein besser dran sind. Während meine besten Freundinnen fast immer in ernsthaften Beziehungen steckten, habe ich mich meist eher schlecht als recht von Desaster zu Desaster gehangelt. Ich würde mich nicht einmal als inkompatibel bezeichnen, es ist wohl nur einfach nicht mein Ding.

Eine gute Beziehung zu führen, ist sicher nicht die einfachste Sache auf der Welt. Man muss sich in gewisser Weise einschränken, gibt Teile seines Lebens auf um Platz für neue gemeinsame Momente zu schaffen. Wenn einem das schon schwer fällt, dann ist es wohl nicht das Richtige. Es ist eine Gratwanderung Nähe zuzulassen und gleichzeitig ein Maximum an persönlichen Freiräumen zu behalten. Wie stellt man das an? Gibt es dafür einen Leitfaden oder macht man das ganz intuitiv?

Ein Glückskeks gab mir vor kurzem jenen passenden Rat „Das Herz ist weiser als der Intellekt“. Da das Herz bisher aber nur Mist gebaut hat, wurde es auf die Ersatzbank verwiesen und der Kopf ist jetzt Chef. Allerdings ist der so anspruchsvoll, wählerisch und perfektionistisch, dass er alles beendet, bevor es überhaupt richtig anfängt und dabei nicht mal länger als 3 Sekunden Augenkontakt halten kann – ob aus Scham oder Misstrauen kann ich nicht mal sagen.

Aber ist mein Leben deswegen weniger sinnvoll nur weil ein vor 50 Jahren verstorbener Schriftsteller das behauptet? Auf keinen Fall! Ich habe trotz allem eine Menge zu geben. Nur gibt’s das eben nicht wie Grabbelware bei KIK. Lieber bin ich nur ein „Ich“ als dass ich mich nur über ein „Wir“ definieren kann. Trotzdem hoffe ich weiter auf den mystisch-magischen Tag nicht näher definierten Datums, an dem ich jemandem begegne, der meinen Kopf überlistet und der Herausforderung gewachsen ist mit mir zusammen auf dem Drahtseil zwischen Zuneigung und Freiheit zu tanzen. Denn ganz Unrecht hat Hermann dann ja doch nicht.

Dienstag, 29. Mai 2012

Entfernung macht Heimat

Es ist erdrückend warm. Ich liege wach zwischen zerwühlten Laken. Ein Blick auf die Uhr: 2:37 Uhr. Ich lausche in die Nacht hinaus, einem Konzert von quakenden Fröschen und zirpenden Zikaden. Ich drehe mich hin und her, aber es ist und bleibt einfach zu warm. Ich stehe also auf, trete ans offene Fenster. Immerhin - ein lauer Wind weht.

Ich verlasse mein Zimmer, das noch fast genauso aussieht wie vor fünf Jahren, als ich diesen Teil meines Lebens hinter mir gelassen habe. Die Tür knarzt ein wenig, als ich auf den Flur im ersten Stock trete. Der alte Boden und auch die Treppenstufen stehen dem in nichts nach. Aus Gewohnheit weiß ich wohin ich meine Schritte setzen muss um den Geräuschpegel möglichst gering zu halten. Ich will die andern nicht wecken, falls die im Gegensatz zu mir das Glück haben heute Nacht Schlaf zu finden.

Wie sollte es anders sein, auch die Haustür zum Hof quietscht leise vor sich hin als ich sie vorsichtig öffne und barfuß auf die angenehm kühle Steintreppe trete. Das Quaken und Zirpen erfüllt die Nacht. Nicht ein einziges von Menschen verursachtes Geräusch, nicht eine einzige irdische Lichtquelle.

Ich setze mich auf die kleine Steintreppe und warte. Es dauert nicht lange und ich höre es um die Ecke hecheln. Ein schwarzer Schatten kommt auf mich zu und stupst mit einer kalten Nase gegen mein Knie. Ich kraule ihr durch das flauschige Fell hinter den Ohren, während sie rhythmisch weiterhechelt. Selbst dem Hund ist es zu warm. Wir bleiben noch eine Weile zusammen sitzen. Dann stehe ich auf und laufe über den mit Kopfstein gepflasterten Innenhof. Die Nacht ist mondlos und dennoch hell.

Ich erreiche die Wiese hinter der Scheune – das Hecheln immer dicht hinter mir. Der Blick in den Himmel ist unbezahlbar. Mehr Sterne sieht man nirgends. Das Gras ist weich und kitzelt ein wenig an den Füßen. Das Quaken ist hier hinten noch lauter und ab und zu hört man einen der Frösche mit einem sanften Platscher in den Teich springen. Ich lege mich auf die Wiese und starre in den Sternenhimmel. Dieser Moment ist so kostbar. Nicht ein belastender Gedanke im Kopf, nur pure Glückseligkeit, Ursprünglichkeit und Wohlbefinden.

Die Sterne funkeln über mir. Ab und zu streicht eine warme Brise über das Gras. Eine Hand immer im Fell, das warm neben mir liegt, die andere wie die Füße in das hohe Gras vergraben. Ich muss an „Der König der Löwen“ denken und die Stelle als Simba mit seinem Vater im Gras liegt und sie über die Könige der Vergangenheit reden. Ich frage mich, ob es dort oben nicht wirklich irgendetwas gibt, dass auf uns herabschaut, uns beschützt. Wahrscheinlich nicht, aber schön wäre es. Ich denke an meinen Opa. Er fehlt mir. Aber ich denke, er wäre glücklich mich so zufrieden zu sehen.

Egal, wo mein Leben stattfindet. Hier ist immer zu Hause.